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Unser Theater

We´re burning now

Rhein-Sieg Rundschau vom 25. Mai 2015

Anklagende Akrobatik

Junge Akteure inszenierten Spektakel zum Thema Welternährung. Dabei entstand ein Dialog zwischen Konsum und Gewissen, bei der die Anklage die Komik bisweilen übertraf.

Der Wind treibt bunte Verpackungen und Plastikmüll über den Platz vor der Rhein-Sieg-Halle, auf dem sich Menschen winden: Die Fertignahrung, die sie kurz zuvor hektisch in sich hineingestopft haben, stößt ihnen übel auf. Dennoch werden immer mehr Tüten herbeigeschafft, auf denen das imitierte Logo eines Fast-Food-Konzerns prangt.

Aber gegen Magenschmerzen helfen Pillen: Auch eine überdimensionale Medikamentenpackung spielt hier eine Rolle. Dass sich die diese Behältnisse bewegen, weil junge Darsteller in ihnen stecken, ist nur einer von zahlreichen Überraschungseffekten von „We’re Burning Now“.

Rotröckchen zwischen Tarnfarben

Diese Tüten waren nicht nur wichtige Requisiten für das Tanztheater-Stück. Studiobühnen-Chef René Böttcher ließ sie am Ende auch als Behältnisse für Spenden herumreichen. Bei freiem Eintritt nämlich kam das Publikum in den Genuss der neuen Produktion, in der das kleine Theater großen Aufwand treibt: 28 Darsteller – Schauspielschüler sowie Kinder und Jugendliche des Theaters Tollhaus – engagierte Regisseurin Maike Mielewski für das 70-minütige Stück. Es kreist um die Themen Artensterben, Welthunger, Verteilungsprobleme und Umweltzerstörung. Sie werden szenisch mit Spielwitz und vollem Körpereinsatz umgesetzt.

Mielewski hat sich von einer jungen Umweltaktivistin anregen lassen, die 1992 mit einer zornigen Rede weltberühmt wurde: Die zwölfjährige Severn Suzuki stellte damals die Frage: „Was könnte die Erde für ein wunderbarer Ort sein, wenn all das Geld nicht für Krieg, sondern für die Abschaffung der Armut und für Umweltschutz ausgegeben würde?“ In Siegburg verkörpert die 13-jährige Marie Heimann diese Stimme des Gewissens.

Aus der Masse der jungen Tänzer in ihren tarnfarbenen Overalls sticht sie hervor in ihrem leuchtend roten Kleid. Als Märchenfigur mit Zöpfen irrlichtert sie durch eine chaotische Welt.

Schauspieler trumpfen mit Akrobatik auf

Aus ihrem Körbchen aber zaubert Rotröckchen nicht Kuchen und Wein fürs Publikum (das am Ende ein köstliches vegetarisches Büffet genießen konnte), sondern einen Hamburger. Wie es den Kühen ergangen ist, die dafür ihr Leben lassen mussten, zeigt die Truppe in einer atemberaubenden Choreografie.

Mielewski verklammert die dynamischen Ensembleszenen geschickt mit Soloszenen oder Pas de trois, in denen einzelne Schauspieleleven glänzen können. Das Spiel mit den zahlreichen Requisiten, unter anderem Einkaufswagen für die Konsumorgie, gelingt flüssig. Die Balance zwischen Anklage und Komik droht freilich zu kippen, als der Fluss im blauen Umhang pathos-bibbernd sein Ende als Kloake beklagt. Warum die junge Protagonistin im Finale auf eine Leiter klettert, um bunte Postkarten an die Weltkarte zu kleben, erschließt sich nicht.

Dafür aber trumpft die Truppe mit Akrobatik auf. Amateure und angehende Profis führt Maike Mielewski bis an ihre Grenzen. Das richtige Fallen und Abrollen muss in der dreimonatigen Probezeit eine wichtige Rolle gespielt haben, doch auf dem Beton bestehen die Darsteller einen doppelten Härtetest. Pflaster wurden am Ende auch großzügig verteilt, als der Beifall verklungen war.

Das Spektakel „We’re Burning Now“ ist am 20. und 21. Juni erneut zu erleben vor dem Siegburger Stadtmuseum, jeweils um 17 Uhr. Von Annette Schroeder

Von Annette Schroeder