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Unser Theater

Vorsprechen an der Schauspielschule Siegburg

General-Anzeiger Bonn vom 09. April 2014

Nur zwölf Bewerber jährlich werden aufgenommen

SIEGBURG. Fast jeden Monat erhalten Bewerber von der Schauspielschule Siegburg die begehrte Einladung zu einem "Arbeits-Vorsprechen". Im Jahr sind das rund 200 junge Leute, die anschließend auf ein "OK" der Schule zur Aufnahme hoffen. Aber nur zwölf von ihnen bekommen es auch.

Heute sind ein junger Mann und fünf junge Frauen aus ganz Deutschland, eine von ihnen sogar aus Belgien, angereist. Die erste Hürde ist genommen. Denn es reicht nicht aus, lediglich eine Bewerbung an die Schauspielschule zu schicken, sondern die möchte wissen, warum der Absender seiner Meinung nach "Schauspieler werden muss", also nicht möchte oder will, sondern muss.

René Böttcher, Leiter der Schauspielschule, kann anhand dieser Statements schon erkennen, was oder wer dahintersteckt. "Gute Chancen haben alle, die uns kreativ beeindrucken, bei denen man nicht unterscheiden kann, ob das, was sie schreiben, noch real oder schon Kunst ist." Ebenso diejenigen, die sich etwas Originelles einfallen lassen wie der Anwärter, der eine Audio-Datei geschickt hat, um auch einen Eindruck von seiner Stimme zu vermitteln.

"Sämtliche Hoffnungen begraben" können die "Alleskönner, die glauben, dass sie die Besten sind", erklärt Böttcher und erinnert sich an einen männlichen Bewerber, der auf die Frage nach dem "Warum" lapidar antwortete: "Das werden Sie schon herausfinden." Darauf hat die Schule gerne verzichtet.

Der Tag beginnt - wie bei diesen Terminen üblich - in einer lockeren Gesprächsrunde, bei der sich die Kandidaten kurz vorstellen. Alle haben Bühnenerfahrungen durch Schulaufführungen, Theater-Workshops oder diverse VHS-Kurse gesammelt.

Die erste Herausforderung für die Gruppe besteht darin, den anwesenden Pädagogen die Schule zu präsentieren, als wollten die sich bewerben. Schnell wird klar, wie intensiv sich die sechs mit der Ausbildungsstätte im Vorfeld auseinandergesetzt haben. So ganz viel kommt nicht, allein der 18-jährige Jan aus Dortmund scheint weitestgehend informiert zu sein. Böttcher und Kollegen haben bereits jetzt ein vages Bild von den Teilnehmern der heutigen Sichtung und ihrer Zielstrebigkeit gewonnen.

Der Theaterchef klärt die Gruppe über den Alltag an der Schule, die Arbeit und die Zukunft danach auf. Er schildert, wie hart die Ausbildung ist, wie viel Einsatz und Willen sie erfordert. "Wir leben vier Jahre eng zusammen", so Böttcher, "da muss alles passen", merkt er zur Zusammenarbeit aller Schüler und Dozenten an. Die Schule sei nicht mit einer allgemeinbildenden vergleichbar, die Schüler würden "nicht mit Wissen gefüttert oder Technik vollgepfropft", erklärt Böttcher, jeder müsse immer alles geben, Visionen und ein Ziel haben, sich "permanent offenbaren". Auch ein Scheitern sei dabei zu verkraften, um sich zu entwickeln, macht er Mut, gibt aber auch zu bedenken, wie viel Energie es erfordert, sich als fertig ausgebildeter Schauspieler aus einem Engagement heraus bereits für das nächste zu bewerben.

Die emotionale Ansprache zeigt Wirkung, man kann an den Gesichtern ablesen, dass alle begriffen haben, was sie erwartet. "Schauspielerei ist mein Lebenstraum und ich weiß, dass ich auf vieles verzichten muss, um den zu verwirklichen", sagt Jan. Dann geht es an die praktischen Arbeitsproben. Musikpädagoge Martin Eng testet die Musikalität der Prüflinge. "Alles normal", stellt er fest, viele Bewerber seien ungeübt, aber die könnten lernen.

Bei Maike Mielewski, Pädagogin für Bewegung und Schauspiel, geht es um den Einklang von Körper und Sprache, die auch eine "Form der Musikalität" ist, wie Ulrike Joannou-Mittag, Pädagogin für Gesang und Sprechtechnik, erläutert. Mielewski möchte bei verschiedenen Bewegungsabläufen sehen, ob jemand zum Beispiel verkrampft und stellt bei der 16-jährigen Jana fest, dass "Körper und Geist" noch nicht synchron sind. Sie wird später verabschiedet, weil sie "einfach zu jung ist", obwohl sie Talent und "Biss" hat.

Nach einer Stunde Szenenarbeit bei René Böttcher treffen sich die Dozenten zu einem Fazit wieder, ihre Vorahnung hat sich bestätigt. Zwei Bewerberinnen werden nicht mehr zum Monolog gebeten, da sie bisher in keiner Weise überzeugen konnten. Vanessa (18) und Laura (22) dürfen dagegen noch einmal zeigen, was sie können, beide wählen einen Monolog aus "Electra".

Bei der abschließenden Besprechung wird klar, dass Vanessa aufgrund ihres Gesamteindrucks die besseren Chancen hat, an der Schule aufgenommen zu werden. Jan, der für seine Sprachprobe eine Szene aus dem Film "The Wolf of Wall Street" gewählt hat, kann sich die meisten Hoffnungen machen, ab September in Siegburg seine Karriere zu starten. Nur einen Tag später hat er dann die Gewissheit und mit Vanessa schon die erste Mitschülerin kennengelernt.

Von Paul Kieras