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Unser Theater

Sinn

Kölner Stadt-Anzeiger vom 23. Mai 2011

Bis an die Grenze des Erträglichen

Siegburg - Wenn die Gefühle zu groß sind, dann können Worte schon mal versagen: Kaum ein zeitgenössisches Theaterstück thematisiert Kommunikationsprobleme der jungen Generation so eindrucksvoll wie Anja Hillings „Sinn“. Die Schauspielschule Siegburg hat das intensive Werk der Autorin nun ebenso intensiv in der Studiobühne aufgeführt. In fünf inhaltlich miteinander verknüpften Geschichten erzählen sich zehn Jugendliche im Zwiegespräch ihre Sehnsüchte und Hoffnungen, konfrontieren sich mit ihren Wünschen, ihrer Wut und ihrem Leiden.

In „Haut“ etwa sind das die autoaggressive Jule (Maria Schade) und die Asthmatikerin Jasmin (Tanja Penner). Letztere zeigt nur wenig Verständnis für das Verhalten der sich permanent spüren wollenden Jule. Die wiederum kann nicht verstehen, dass Jasmin keine Luft bekommt. Andersartigkeit wird als störend empfunden, als ein irritierender, ein bedrohlicher Eingriff in das eigene, egozentrische Weltbild. Und doch kommen sich die Beiden langsam näher, legen ihre Vorurteile ab, küssen und verlieben sich. Gemeinsam, das merken Jule und Jasmin, können sie sich den Halt geben, den sie brauchen.

„Sinn ist ein Stück, das nahe an der Realität der Jugendlichen ist“, findet Regisseurin Sarah Kortmann. Ihre dichte, zuweilen furiose, und alles andere als leicht goutierbar Inszenierung verlangte den sechs Schauspielern im Alter von 19 bis 24 Jahren wohl einiges ab: Gefühlsausbrüche wechselten im Minutentakt mit trockenen Dialogen, auf den Sturm der Emotionen folgte die oft noch unerträglichere Selbsterkenntnis. Das Spiel der durchweg exzellenten Darsteller ließ die Zerrissenheit der Charaktere spürbar werden, und führte daher nicht selten an die Grenzen des Erträglichen. Etwa die Momente, in denen die Schauspieler sich gegenseitig verprügelten, oder den Kopf des anderen in ein mit Wasser gefülltes Planschbecken drückten.

Serkan Durmus Lichtregie trug ebenfalls ihren Teil zu der beklemmenden Atmosphäre des Stücks bei: Oft ging das Licht hinter den Rängen an, ein Rückzug in die sichere Dunkelheit blieb dem Zuschauer somit verwehrt. Mit dem Einsatz einzelner Spots erzeugte er klaustrophobische Lichtkegel, unter denen die Darsteller wirkten wie Objekte einer Ausstellung – jeder für sich, waren sie doch Teile eines Ganzen. Figuren einer Welt, in der jeder wahrgenommen werden will, jeder akzeptiert werden will, mit all seinen scheinbaren Fehlern. „Sinn“ zeigte: Man muss nicht zum Äußersten schreiten, um gesehen zu werden – zuhören reicht oft aus.

Die Studiobühne Siegburg zeigt "Sinn" wieder in der Spielzeit 2011/2012. Schulen, die an einer Aufführung interessiert sind, können das Stück auch buchen. Infos dazu gibt es im Internet.

von Christian Leinweber