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Unser Theater

Schauspielschüler inszeniert "2Welten"

12. Juni 2015

Es ist dunkel im Raum und ein Fernseher flackert schwarz-weiß. Ein junger Mann (Marian Hentschel) sitzt auf einem Stuhl und dreht sich angespannt eine Zigarette. Man sieht ein Video, in dem er in einer fahrenden Bahn sitzt und aus dem Fenster sieht. Ein weiterer Versuch sich eine Zigarette zu drehen scheitert. Es wird eine neue Szene im Film gezeigt. Der Protagonist steht auf der Straße und hält ein Schild mit der Aufschrift "Bitte um Geld" in der Hand. Ein Pfeil auf dem Schild zeigt auf den neben ihm sitzenden älteren Mann. Gleichzeitig fällt sein Blick auf der Bühne auf ein Foto an der Wand, auf dem er und andere Personen zu sehen sind. Der scheinbar Rastlose nimmt das Bild von der Wand und klebt alle Personen außer sich selbst mit Klebeband ab um es danach wieder an seinen Platz zu hängen. Er wirkt für einen Moment befriedigt. In einer weiteren Filmszene sitzt der junge Mann gemeinsam mit Freunden zusammen, es herrscht eine entspannte und ausgelassene Stimmung. Ein Freund stellt per Telefon für den Künstler Kontakt zu einer jungen Frau her. Auf der Bühne versucht der Schauspieler während dessen fahrig einen Brief zu verfassen. Mehrere Versuche scheitern, bis er die Endfassung in ein Kuvert steckt und dieses an eine Pinnwand mit weiteren Umschlägen heftet. Es scheint als möchte er etwas tun, aber traut sich nicht oder schafft es einfach nicht. Neben dem Alkohol konsumiert er nun auch Pillen. In dem Film trifft sich der Junge mit seinem Date. Während es dem Hauptdarsteller in weiteren Filmsequenzen immer besser geht, verschlechtert sich die Situation für sein Pendant von Minute zu Minute. Nur ein unerwarteter Telefonanruf kann ihn letztendlich davon abhalten sich die Pulsader mit einer zerbrochenen Flasche aufzuschneiden.

Das Bühnenbild lässt schon von Anfang an erwarten, dass es an diesem Abend wenig zu lachen geben wird. Eine Hälfte der Bühne ist mir einem Fernsehtisch ausgestattet, auf dem ein flackernder Fernseher steht. Darunter befinden sich unter anderem leere Pizzakartons. Daneben steht ein Stuhl. An der Wand erkennt man Bilderrahmen, lieblos mit Klebeband befestigt, meist ohne Inhalt. Die andere Bühnenhälfte ist kahl, hier werden die Videosequenzen an die Wand projiziert. Der Künstler Marian Hentschel schafft es ohne Zweifel die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schon in den ersten Minuten hat man das zwingende Bedürfnis auf die Bühne zu springen um ihm irgendwie zu helfen. Man merkt aber auch sofort: Das wird nichts bringen. Das Gefühlsleben seiner Figur legt sich, auch durch ihre stereotypen Verhaltensmuster, wie ein Schleier auf die Gemüter der Zuschauer. Diese Empfindungen werden allerdings auf Dauer anstrengend. Hentschel schafft es mit seiner Darstellung aber trotzdem so etwas wie Sympathie aufflackern zu lassen, so dass die Zuschauer dann doch erleichtert sind als das Telefonklingeln seinen Selbstmord verhindert.

"Zwei Gesichter" ist das erste Soloprojekt von Marian Hentschel, der die Schauspielschule Siegburg im dritten Lehrjahr besucht.

 

Interview mit dem Künstler

Marian, wie bist du auf die Idee zu deinem Stück gekommen?

Ich sollte etwas komplett alleine machen. Da Sprache meiner Meinung nach viel weg nimmt, war schnell klar, dass ich etwas "Stummes" machen möchte. Sprache gibt zu klare Sachen vor. Es ist für mich sehr interessant zu wissen, dass Menschen komplett unterschiedliche Leben führen, obwohl wir alle auf einer Welt leben. Und diese Kontraste wollte ich zeigen. Es war mir wichtig eine Wand einer Wohnung aufzureißen um einen Einblick in solch ein Leben zu zeigen. Für die sieben Bilder, die ich während des Films zeige, habe ich das Gegenstück gesucht um dieses auf die Bühne zu bringen. Diese Gegenstücke passen für mich zusammen - es sind gleiche Bilder. Und diese Bilder habe ich in eine Reihenfolge mit Anfang und Ende gebracht. Ich möchte auf unsere Mitmenschen aufmerksam machen und zeigen, wie schon durch kleine Gesten und wenig Aufwand geholfen werden kann. Beachtet die Menschen und geht nicht blind an ihnen vorbei. Jeder kann einmal in eine schwierige Situation kommen. Es war mein Ziel, dass sich Menschen aus dem Publikum nach dem Stück zusammen setzen und sich über das Gesehene austauschen. Um alles verstehen zu können braucht man das Gespräch mit anderen Zuschauern. Ich wollte das Stück so realistisch wie möglich machen. Das Publikum soll sehen und erleben, dass es ein Mensch ist der auf der Bühne leidet.

Was nimmst du aus deiner komplett eigenständigen Arbeit mit in das nächste Schuljahr an der Studiobühne Siegburg?

Ich will weiter an künstlerischen realitätsnahen Darstellungen arbeiten. Allerdings möchte ich nur den Regiepart übernehmen. Ich schließe es auch nicht aus Sprache zu verwenden. Meine Art der Darstellung setzt einen mitten in das Geschehen. Ich mag es Fakten zu zeigen ohne sie zu bewerten. Diesen Part soll das Publikum übernehmen. Das auf sich gestellte Arbeiten war für mich sehr angenehm. Es hat mir spielerisch viele Wege gezeigt woran ich noch arbeiten muss. Aus dem Nichts etwas zu schaffen ist ein sehr befriedigendes Gefühl. Es war cool ohne Vorgaben eine Figur erschaffen zu können. Ich habe dafür viel aus meinem Privaten mit hinein genommen. Und es war schwer das Private für die Rolle beizubehalten und trotzdem eine Figur zu spielen. Die Leute an der Schauspielschule Siegburg kennen meine Spielweise, daher würde ich das Stück gerne einmal vor fremden Publikum spielen um eventuell eine andere Wirkung zu erhalten.

 

Publikumsecho:

"Atmosphärisch dicht", "interessant: 2 Ebenen auf der Bühne", "multimedial", "zwischen Genie und Wahnsinn", "je länger man zugesehen hat, desto mehr hat man verstanden", "langatmig", "geile Liedtitel", "skurril", "kurzweilig", "speziell", "ungewöhnlich", "Tragödie ohne Worte", "Text ist nicht alles", "eine Kaskade des Elends", "Psyche wird gefickt", "Baseballschläger", "intensiv", " überraschend aufwendig karg", "Mutige Arbeit zur Exzellenz gereift, wenn der Performer noch mehr Mut aufbringen würde.", "Standort hat sich hervorragend für Performancekunst etabliert", „Schauspieler werden mal anders